Freitag, 26. Juli 2013

Epic Fail am Beinn Alligin

„Ihr bleibt ja nur im Tal, da liegen doch so viele tolle Munros in der Nähe“ hatte mein ehemaliger Kollege und höchst erfahrener Munrobagger Frank auf meinen Facebook-Post mit der Loch Affric Tour geantwortet. Hmm, Recht hat er. Wenn man schon in den Highlands unterwegs ist, muss man wahrscheinlich auch einmal den Ausblick von einem dieser hohen Berge genossen haben. Da es neben seiner eigenen Website www.bgmb.de (sehr schöne Bilder, übrigens!) auch noch viele andere Seiten rund um die Munros gibt, ist es kein Problem sich entsprechende Informationen zu beschaffen. Als ersten Wurf eines Plans hatte ich zwei Gipfel des Berges Liathach am Nordufer des Loch Torridon ausgesucht. Zehn Kilometer Rundwanderung, ca. 1100 Meter Gesamtanstieg. Auf meine Rückfrage nach der Begehbarkeit des Ridge zwischen den beiden Gipfeln meinte Frank allerdings: „Uiih, sehr, sehr steiler Anstieg! Wenn Du Dir nicht sicher bist, einfach auf einen der Nachbarberge ausweichen“. Gute Ratschläge von erfahrenen Fachleuten sollte man beherzigen, und so wurde es dann eine ebenso zehn Kilometer lange Runde auf den etwas leichteren und niedrigeren Beinn Alligin, der mit seinen zwei Gipfeln Sgurr Mhor (983 Meter) und  Tom na Grugaich (924 Meter) für unsere erste Bergtour in den Highlands herhalten sollte.

Gut anderthalb Stunden dauerte die Anfahrt. Das Wetter war als wechselhaft angekündigt, und dieser Eindruck bestätigte sich, je weiter wir nach Nordwesten vorankamen. Als wir endlich Loch Torridon erreichten konnten wir den zuerst anvisierten Berg in Augenschein nehmen. Uff, das sah wirklich verdammt steil aus. Zudem lagen die beiden Gipfel noch tief in den Wolken verborgen. Wir hielten am Wanderparkplatz, warteten noch kurz einen kleinen Schauer ab und machten uns auf den Weg durch einen lichten Kiefernwald zum Anstieg auf den Ridge am östlichen Eck des Berges.

Einem anderen guten Rat folgend hatten wir uns einen Tag vorher im „Highland Soap Shop“ in Fort William mit einer Lotion namens „Bog Myrtle“ gegen die Midges versorgt, nachdem wir einige erfolglose Versuche gestartet hatten „Skin so soft“ von Avon zu bekommen. Nach edlen Kräutern duftend, hatten wir für die Midges heute wohl tatsächlich unsere appetitanregende Wirkung verloren. Sie flogen zwar öfters einmal an, hielten es jedoch nicht allzu lange in unserer Gegenwart aus – Kulturbanausen!

Der Weg führte leicht aber stetig aufwärts über einen gewundenen, gut befestigten Pfad in Richtung Beinn Alligin. Die Ausblicke die wir hier hatten waren den weiten Weg schon fast wert, was würde sich wohl für ein Panorama von den Gipfeln bieten? Der einzige Punkt der uns ein wenig Sorgen machte, befand sich ca. 7 Kilometer weiter östlich. Dort, ungefähr am Beinn Eighe, hingen noch die Reste eines Gewitters das sich in längeren Abständen durch ein leichtes Wetterleuchten und fernes Donnergrollen bemerkbar machte. Wir beschlossen, die Angelegenheit im Auge zu behalten und hofften darauf, dass es sich  bald verziehen würde. Der landeinwärts wehende Wind brachte in jedem Fall deutlich lockerere Wolken mit sich und so setzten wir unseren Weg in ruhigem Tempo fort. Eine Ansammlung großer Steine die von der leichten Brise umflutet wurden bot uns nach ca. 4 Kilometern Gelegenheit für eine längere Rast bevor das Terrain steiler wurde. Der weitere Weg auf den Berg war von hier aus noch nicht zu erkennen, aber das es aufwärts gehen würde, war uns ja schon irgendwie klar.

Dann standen wir relativ schnell vor dem steilen Anstieg auf den Berg und uns wurde bewusst, dass jetzt wohl ein wenig Klettern angesagt war. Die Kids zögerten keine Sekunde und nahmen den Hang beherzt in Angriff. Der Weg war ab hier sehr gut erkennbar, er führte über eine Art natürliche Treppe aus Sandsteinblöcken mit ca. 45° Steigung nach oben. Der Vergleich mit einer Treppe hinkt natürlich ein wenig, weil hier das normgerechte Verhältnis zwischen Stufenhöhe und Auftritt vom Architekten nicht so ganz konsequent umgesetzt war – an einigen Stellen mussten wir uns doch schon ein wenig strecken. Alles in allem aber trotzdem gut zu bewältigen, insbesondere weil der Sandstein auch in leicht nassem Zustand vergleichsweise guten Grip bietet.

Der Aufstieg war dennoch ganz schön anstrengend. Auf einem kleinen Sattel angekommen, beschlossen wir eine kurze Rast zu machen um etwas zu trinken und den strapazierten Knochen eine kleine Pause zu gönnen, da passierte es: Fast völlig aus dem Nichts ein Blitz! Nicht besonders heftig - aber der ca. 4 Sekunden darauf folgende Donner ließ keinen Zweifel, dass das Gewitter sich offensichtlich schlagartig in unsere Richtung verlagert hatte. Die Entscheidung die Tour abzubrechen benötigte keine weiteren 4 Sekunden. Auf dem Berg möglicherweise in schlechtes Wetter zu geraten ist keine wirklich ermutigende Perspektive. So ein Mist! Zügig aber ohne Hast machten wir uns wieder an den Abstieg, nahmen seufzend jeden einzelnen Tritt den wir erklommen hatten wieder abwärts und hofften, dass das Unwetter nicht noch näher kommen würde.

Unsere Hoffnung sollte sich auf ironische Art bald bestätigen, denn der Blitz, der uns zum Aufgeben zwang war der letzte den dieses Gewitter zu bieten hatte. Als wir wieder einen Blick durch das Tal in Richtung Beinn Eighe werfen konnten, hatten sich dort die dunklen Wolken komplett verzogen und waren einem weißen, lichten Hochnebel gewichen. Trotzdem war die Entscheidung die Tour abzubrechen die einzig richtige, und ich würde sie in ähnlichen Situation jederzeit wieder genauso treffen.

Der Rückweg wartete mit weiteren Überraschungen auf. Es hatte leicht zu regnen begonnen, und die frische Brise hatte sich komplett irgendwo anders hin verkrümelt. Schwüle Luft lag über dem Tal - ideale Bedingungen also für fliegendes Getier aller Art. Die Midges ließen uns zwar in Ruhe, hatten aber die Infanterie in Gestalt winziger Mücken voran geschickt, die sich offenbar einen Dreck um „Bog Myrtle“ scherten. „You will need them. £3 each“ stand auf dem Schild das ich am Vortag in einem kleinen Anglerladen in Fort William unter der Auslage mit den Moskitonetzen gesehen, und leicht belächelt hatte. Ich weiß auch nicht, warum mir dieser Slogan gerade jetzt wieder in den Sinn kam.

Schlagend und wedelnd, abwechselnd wischend und spuckend (weil die Biester vornehmlich in kopfnahen Körperöffnungen Schutz vor dem Regen suchten) gingen wir unseren Weg zurück in Richtung Parkplatz um eine weitere, eindrucksvolle Erfahrung reicher. Wir verzogen uns so schnell es ging ins Auto und fuhren die Straße in Richtung Diabaigh und weiter zur Küste, in der Erwartung dass wir dort bei einer frischen Brise etwas verschnaufen könnten. Aber weit gefehlt, auch dort hatten die Mücken alles fest im Griff und so genossen wir wenigstens die luftige Fahrt über die abenteuerliche Straße entlang des Outer Loch Torridon und nutzen den Fahrtwind, der uns half die ins Auto eingedrungenen Plagegeister endgültig loszuwerden.

Irgendwie hatte ich mir den Tag deutlich anders vorgestellt: statt erhabener Blicke über die schottischen Highlands erlebten wir eine vernichtende Niederlage durch einen einzigen Blitz und viele Millionen kleine Infanteristen. Vergessen werden wir diese Tour aber garantiert nicht so schnell. Beinn Alligin, wir kommen wieder, dann vielleicht etwas seltsam gewandet, mit Hüten und lustigen Moskitonetzen auf dem Haupt, aber das ist mir dann so was von egal …

Stay tuned
K0erschgen



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